Heiligen Rasen nennen Fußballfans das Grün, auf dem es um Sieg und Niederlage geht. Für die Übertragungskameras soll der Rasen im schönsten Grün leuchten. Den Spielern soll er festen Halt geben. Den Ball soll er beschleunigen. Und das alles über die gesamte Spielzeit hinweg, also auch wenn’s draußen bitter kalt wird, wenn Rasen üblicherweise in den Winterschlaf geht.
Wie in vielen Fußballstadien kümmert sich auch in der Allianz Arena des FC Bayern ein Greenkeeper um das kostbare Grün. Jeden Morgen um 6.30 Uhr steht der Greenkeeper auf dem Platz. Am frühen Morgen steht das Licht so, dass man den Rasen am besten beurteilen kann. In sechs Zonen hat er die Rasenfläche gedanklich unterteilt, die jeweils anderen Bedingungen unterliegt. Die Tribüne wirft ungleichmäßig ihren Schatten auf die Fläche. Manche Stellen sind Regen und Wind ausgesetzt, andere nicht. Fast kann man von einem eigenen Mikroklima in Bodennähe reden.
App zur Rasenpflege
Daten über Daten
Für derartige Empfehlungen braucht man jede Menge Daten: Licht, Temperatur, Feuchtigkeit, Salzgehalt des Rasens, Wind und der Chlorophyllgehalt der Grashalme – all diese Daten liefern Sensoren, die auf dem Feld installiert sind. Installiert wurden sie vom niederländischen Experte für Stadionbeleuchtung SGL, der seinen Kunden damit die Möglichkeit bietet, die Beleuchtung des Rasens zu überwachen. Zudem werden die aktuellen Wetterdaten und -prognosen in das System eingespeist.
Im Minutentakt landen die Daten vom Spielfeld in der Collector-Box. MindSphere wertet die Daten aus, entwickelt Handlungsempfehlungen und wandelt beides in anschauliche Grafiken um. Per Smartphone hat der Greenkeeper dann seinen Rasen im Blick – gleich mit konkreten Handlungsempfehlungen.
- SiemensFC-Bayern-Fan und selbst Torwart in der Bezirksliga: Lars Oyntzen entwickelt mit seinem Team die MindSphere-Applikation für den Greenkeeper des FC Bayern.
Kooperation für einen gesunden Rasen
Agile Softwareentwicklung
Vom FC Bayern geträumt
Oyntzen ist selbst Fußballer – und seit er denken kann FC Bayern-Fan. Beim ASV Weisendorf steht er im Tor und kämpft mit seiner Mannschaft um Punkte in der Bezirksliga. Das MindSphere-Projekt ist für ihn eine Herzensangelegenheit. „Es ist natürlich ein Traum, für den Verein, für den man seit der Kindheit mitfiebert, eine Lösung zu entwickeln“, sagt er. „Hätte man mich vorher gefragt, was ich mir beruflich wünsche, hätte der FC Bayern als Kunde natürlich ganz oben auf meiner Wunschliste gestanden.“
Der 30-Jährige hat seinen Master an der Friedrich-Alexander Universität Erlangen-Nürnberg (FAU) gemacht, in International Information Systems, einer neuen Bezeichnung für die Studienrichtung der Wirtschaftsinformatik. Seit über fünf Jahren ist er als Projektleiter und Data Analyst bei evosoft.
Grün als Wissenschaft
Wichtige Projektpartner und Experten fürs Grün sind – über den Greenkeeper hinaus – auch die Wissenschaftler der Technischen Universität München. Von den Mitarbeitern des Gewächshauslaborzentrums Dürnast zapfen die Entwickler detailliertes Wissen um den „heiligen Rasen“ ab: Wie lange muss er zum Beispiel in den Wintermonaten beleuchtet werden und ab wann bringt die investierte Energie keinerlei zusätzlichen Nutzen mehr?
Ganz zu schweigen vom Hauptfeind des Fußballrasens, dem Pilz, besser gesagt, bis zu 200 verschiedenen Pilzarten. Noch wissen aber auch die Experten nicht genau: Ab welchem Feuchtigkeitsgrad wird der Rasen anfällig für welchen Pilz? Welche ersten Anzeichen verweisen auf einen bevorstehenden Ausbruch? Und: Wie kann man möglichst frühzeitig und effektiv gegensteuern? Hier könnten die gesammelten Daten der Rasen-Applikation in Zukunft wertvolle Erkenntnisse liefern.